Epilepsie

 

Was ist Epilepsie?

 

Ein kleiner Wegweiser durch die ganzen Begrifflichkeiten im Zusammenhang mit Epilepsie

 

Ein epileptischer Anfall ist definiert als überhöhte hypersynchrone elektrische Aktivität von Neuronen im Gehirn (Fischer und Hülsmeyer, 2013). Dabei können sich diese überhöhten Aktivitäten auf abgrenzte Hirnregionen beschränken (fokaler Anfall) oder auf große Teile des Gehirns ausweiten (Grand Mal oder auch generalisierter Krampfanfall). Die Symptome des epileptischen Anfalls können von geringgradigen motorischen Ausfallserscheinungen an einzelnen Körperteilen oder Arealen am Körper mit/ohne Bewusstseinsverlust (fokale Anfälle) bis hin zu generalisierten tonisch-klonischen Krampfanfällen mit Bewusstseinsverlust (Grand Mal) reichen. Die Grand Mals werden neben den motorischen Zuckungen (Ruderbewegungen der Beine) oft von Schaum vorm Mund (exzessives Speicheln) und unkontrolliertem Urin- und Kotabsatz begleitet. Wenn innerhalb von 24h zwei oder mehrere Krampfanfälle erfolgen, spricht man von einem Serienanfall (Cluster-Anfall). Dauert ein Grand Mal länger als 5 Minuten oder krampft der Hund wiederholt, ohne dazwischen wieder vollständig das Bewusstsein zu erlangen, spricht man von einem Status epilepticus. Dies stellt einen lebensbedrohlichen Zustand dar, da sich das Gehirn in einem Zustand dauerhafter Übererregung befindet. Hunde im Zustand des Status epilepticus sind Notfall-Patienten und benötigen sofort intensivmedizinische Betreuung, da sie daran versterben können. Auch bei Serienanfällen sollte schnellstmöglich ein Tierarzt konsultiert werden, da das Risiko der Entwicklung eines Status epilepticus besteht.

 

Der Krampfanfall selbst kann in verschiedene Stadien eingeteilt werden (Rentmeister, 2013): Das erste Stadium (Prodromalstadium) kann Minuten, Stunden oder sogar Tage vor dem eigentlichen Krampfanfall eintreten. Die Hunde zeigen abnormes Verhalten, Unruhe, Angst, Nervosität, Unsicherheit oder manchmal sogar Aggressivität. Die sich anschließende Aura dauert nur wenige Sekunden und stellt den Beginn des Anfalls dar. Erweiterte Pupillen, Erbrechen oder motorische Ausfälle stellen die klassischen Symptome der Aura dar. Der eigentliche Anfall (Iktus) ist je nach vorliegendem Anfallstyp unterschiedlich in den Symptomen. In der letzten Phase (postikale Phase) erholt sich der Hund wieder vollständig von dem Anfall. Diese Phase kann Minuten bis zu Tagen dauern, in der der Hund Symptome wie Ataxie, Drangwandern, Blindheit, vermehrter Durst/Appetit, Müdigkeit, Desorientierung und eventuell sogar Aggressivität zeigt (Thomas, 2010).

 

Ein einzelner epileptischer Anfall wird noch nicht als Epilepsie bezeichnet, sondern erst das wiederholte (episodische) Auftreten von epileptischen Anfällen!

 

Auf Grundlage ihrer Entstehungsgeschichte (Ätiologie) werden epileptische Krampfanfälle in reaktive Krampfanfälle sowie symptomatische, idiopathische und kryptogene Epilepsie (Fischer und Hülsmeyer, 2013) unterteilt:

 

Um einen reaktiven Krampfanfall handelt es sich, wenn die Ursache in einem Stoffwechselgeschehen außerhalb des zentralen Nervensystems (Gehirn) liegt. Dies kann zum Beispiel ein Sauerstoffmangel, eine Unterzuckerung, eine Schilddrüsenfehlfunktion, eine Lebererkrankung oder auch eine Vergiftung sein. Deswegen sollte unmittelbar nach dem ersten Krampfanfall ein Blutscreening gemacht werden, um insbesondere eine Vergiftung rechtzeitig behandeln zu können. Auch ein großes Blutbild ist wichtig, um eine körperliche Grunderkrankung schnell zu behandeln. Unter um Umständen können auch verschiedene Erreger und die aus ihnen folgenden Erkrankungen die Ursache sein: z.B. Anaplasmose, Babiose, Ehrlichiose, Borreliose. Einen Hinweis auf Lebererkrankungen kann man mithilfe eines Gallensäureprovokationstest erhalten. Mittels einer Herzuntersuchung kann man einem chronischen Sauerstoffmangel auf den Grund gehen.

 

Bei einer symptomatischen Epilepsie (auch sekundäre Epilepsie) liegt als Ursache eine strukturelle Erkrankung des Großhirns oder eine Störung des Gehirnstoffwechsels zugrunde. Diese strukturellen Veränderungen können durch ein Trauma, eine Entzündung, eine Anomalie, einen Infarkt oder einen Tumor bedingt sein. Auch Gehirnstoffwechselstörungen wie z.B. mitochondriale Enzephalopathien oder neuronale Ceroid-Lipofuzinose können hier die Ursache sein. Bei Hunden, die älter als 5 Jahre sind, steigt die Wahrscheinlichkeit einer symptomatischen Epilepsie (Fischer & Hülsmeyer, 2013). Diese symptomatischen Ursachen kann man mittels eines MRTs und einer Liquoruntersuchung ausschließen.

 

Bei einer kryptogenen Epilepsie wird eine symptomatische Ursache zwar vermutet, es kann jedoch selbst nach intensiver Diagnostik keine Grunderkrankung gefunden werden.

 

Bei einer idiopathischen Epilepsie kann trotz ausgiebiger Untersuchung ebenfalls keine Grunderkrankung gefunden werden. Dann wird von einer rein funktionellen Erkrankung des Gehirns ausgegangen, bei der die Neuronen und ihres Synapsen im Vergleich zu einem gesunden Großhirn in der Erregbarkeit verändert sind. Hier wird eine genetische Prädisposition (Anlage, Empfänglichkeit) vermutet. Hunde mit idiopathischer Epilepsie zeigen ihre ersten Anfälle im Alter von 5 Monaten bis 5 Jahren. Deswegen ist die Diagnose mit 75% in dieser Altersgruppe sehr hoch. Sind mehrere Tiere aus der Familie von idiopathischer Epilepsie betroffen, erhärtet sich der Verdacht einer genetischen Epilepsie.

 

2015 hat die International veterinary epilepsy task force (ein internationaler Zusammenschluss von Tier-Neurologen) einen gemeinsamen Ansatz zur Diagnostik von Epilepsie veröffentlicht, in dem verschiedene Stufen der Ausschlussdiagnostik definiert werden:

 

Stufe 1: Zwei oder mehrere Anfälle in einem Alter von 6 Monaten bis 6 Jahren und keine Auffälligkeiten im Labor (Blutbild, Urin) sowie in der neurologischen Untersuchung

 

Stufe 2: Zusätzlich ein MRT und eine Liquoruntersuchung (unter Vollnarkose)

 

Stufe 3: Zusätzlich ein EEG (dies führen nur sehr wenige Tierkliniken durch)

 

 

 

Quellen:

 

Epilepsie bei Hund und Katze, Andrea Tipold et.al., Kleintierpraxis 60, Heft 4 (2015), S.198-214 https://vetline.de/download/storage/282/6721

 

International veterinary epilepsy task force consensus proposal: diagnostic approach to epilepsy in dogs, Luisa De Risio et. al., BMC Vet Res. 2015; 11: 148. Published online 2015 Aug 28. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4552251/